4.1 Kolloidchemie - allgemein

 

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Kolloide (Nano-Partikel) sind allgegenwärtig, sei es in der Industrie (z.B. hochfunktionale Nanowerkstoffe), der Biotechnik (z.B. Nahrungsmittel, Pharmazeutika), der Landwirtschaft (z.B. Tonteilchen), der Medizin (z.B. Plasmaproteine) oder in der Natur (z.B. Trübstoffe in Gewässern). Sie können sehr unterschiedlich sein hinsichtlich Parametern wie Größe, Dichte, chemischer Zusammensetzung, Form und Oberflächenladung. Aufgrund ihrer sehr geringen Größe (1 nm - 1 µm) weisen Nano-Partikel im Verhältnis zu ihrer Masse eine große Oberfläche auf, die für hohe Sorptionskapazitäten gegenüber zahlreichen Stoffen verantwortlich ist.

 

Dies bedingt technisch nutzbare Eigenschaften, aber auch eine mögliche Stabilisierung von Schadstoffen über die thermodynamische Löslichkeit der jeweiligen Verbindung in Lösung hinaus. Kolloide an sich können unerwünschte und schwer detektierbare partikuläre Verunreinigungen darstellen, welche die Produktqualität in vielen Bereichen der modernen Produktionstechnik (z.B. Halbleiterindustrie, Pharmaindustrie) maßgeblich beeinträchtigen. Darüber hinaus können Kolloide biologischer Natur (z.B. Bakterien, Sporen, Viren) sein – häufig als Bio-Kolloide bezeichnet – und damit einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität von z.B. Pharmaka oder dem wichtigsten Nahrungsmittel – Trinkwasser – haben. Die Auswirkung von Nano-Partikeln auf die Migration von Schadstoffen, die langfristige Trinkwassergewinnung (Qualität) und der technische Einsatz von Kolloiden bei einer Sanierung stark kontaminierter Wässer (Fe(0)-Kolloide zur Steuerung innovativer Redoxzonen) sind wichtige Gesichtspunkte in der modernen Umweltforschung.

 

Eine hochempfindliche Quantifizierung und Charakterisierung aquatischer Nano-Partikel hinsichtlich Parametern wie Teilchenzahl, Größenverteilung, Form, Oberflächeneigenschaften und chemische Zusammensetzung ist nicht nur aus oben genannten Gründen zwingend erforderlich, sondern ist auch für alle nano-technologischen Projekte grundsätzlich von Bedeutung.

 

 

 

Schwerpunkte der Arbeiten:

 

1)          Analyse/Quantifizierung von Kolloiden

 

2)          Schadstofftransport

 

3)          Magnetische Enzymträger

 

4)          Kolloide im Trinkwasser

 

 

 

 

 

4.1.1 Analyse/Quantifizierung von Kolloiden

 

Mit eine der schwierigsten Aufgaben in der Kolloidchemie ist eine eindeutige Charakterisierung von Nano-Partikeln hinsichtlich ihrer Größe und Form in Lösung.
Die verfügbaren analytischen Methoden zur Charakterisierung von Nano-Partikeln sind oft im Teilchenbereich kleiner ca. 0,5 µm zu unempfindlich bzw. erfordern Aufkonzentrations- und Abtrennprozeduren, die Arteffekte bei der sehr empfindlichen Kolloidcharakterisierung hervorrufen können. Folgende Techniken werden von uns eingesetzt:

 

·         Fraktionierungstechniken: Ultrafiltration, Ultrazentrifugation, Feldflußfraktionierung, Größenausschlußchromatographie

·         Spektroskopische Methoden: Photonen-Korrelations-Spektroskopie (PCS), Mehrwinkel-Laserlichtstreuung (MALLS)

·         Mikroskopische Methoden: REM, TEM, Röntgenmikroskopie, AFM

·         Weitere Methoden: Laser-induzierte-Breakdown-Detektion (LIBD), Laserlicht-Abschattung (LLO)

 

Die Anisotropie von Nano-Partikeln wie z.B. bei Tonen und Metalloxiden ist naturgegeben; die eindeutige Charakterisierung von aquatischen Nano-Partikeln hinsichtlich ihrer Größe und Form ist selbst für monodisperse Systeme mit definierter Partikelform schwierig und liefert je nach Meßmethode unterschiedliche Ergebnisse. Bei den meisten Methoden wird nicht der tatsächliche Durchmesser, sondern nur ein Äquivalentdurchmesser bestimmt, der je nach Partikelform (z.B. bei plättchenförmigen Tonkolloiden) nur bedingt die tatsächlichen Größenverhältnisse beschreibt (z.B. hydrodynamischer Durchmesser, Projektionsradius) und der die entsprechend der Meßmethode analogen physikalischen Eigenschaften aufweist.

Um den Einfluss von Kolloiden auf die Trinkwasserbeschaffenheit oder die Stoffmigration abzuschätzen ist die Bestimmung der Größe und Konzentration und möglichst auch der Oberflächeneigenschaften notwendig. Bisher existiert noch keine Methode, die in allen relevanten Größenbereichen simultan und ohne Probenaufbereitung Größe, chemische Zusammensetzung und Konzentration gleichzeitig bestimmen kann. Für eine vollständige und zuverlässige Systembeschreibung müssen deshalb mehrere Methoden angewendet werden, um die Ergebnisse zu überprüfen oder den Messbereich zu erweitern.

 

 

4.1.2 Schadstofftransport

 

Ziel der Untersuchungen ist das geochemische Langzeitverhalten von Reststoffsystemen unter dem Aspekt der Mobilisierbarkeit von Kolloiden. Im Vordergrund steht die Bewertung einer kolloidalen Schadstoffmobilisierung und ihr Einfluss auf die Umwelt. Reststoffe beinhalten in der Regel thermodynamisch instabile Phasen, die eine zusätzlich Komplexität des Systems bewirken.

 

Zu diesem Zweck werden folgende Fragestellungen bearbeitet:

 

     Eingehende Charakterisierung der physikalisch-chemischen Eigenschaften des Reststoffsystems hinsichtlich Parameter wie Beurteilung von Art und Konzentration der Schadstoffe, allgemeine Elementzusammensetzung sowie Phasenbestand und ihre Langzeitstabilität.

     Überprüfung einer Mobilisierbarkeit von Kolloiden und Ableitung von Mobilisierungsmechanismen.

     Charakterisierung der eluierten Kolloide hinsichtlich ihrer Größe, Stabilität, Elementzusammensetzung und dem Anteil an kolloidgebundenen Schadstoffen.

     Untersuchungen zur Abschätzung von Transportreichweiten von Kolloiden in einer Reststoffmatrix.

 

Nach dieser Methode wurde bereits das Gefährdungspotential von Schlacken aus der Hausmüllverbrennung hinsichtlich einer kolloidgetragenen Mobilisierung der stark angereicherten Schwermetalle Kupfer, Zink, Blei und Chrom untersucht (Dissertation Dr. W. Ferstl). Dabei wurde festgestellt, dass zwar eine derartige Freisetzung stattfinden kann, dass aber die Transportreichweite anorganischer Kolloide zu gering ist, um eine Gefährdung für die Umwelt darzustellen.

 

 

4.1.3 Magnetische Enzymträger

 

Objective of this work is to optimize the functionalizing procedures for magnetic micro carriers (with diameter in range of a few micrometers), which are going to be used for the immobilization of enzymes. The superior kinetic behavior and the easy recycling of these micro particles by magnetic separation will be demonstrated.

Conventional immobilized biocatalysts are mainly used in fixed beds. However, this comparatively cheap and simple separation involves several disadvantages, e.g. the mass transfer resistance inside the particles in the bed is high and often only the outer shell of the particle contributes substantially to the enzyme reaction. The best way to overcome these problems is to reduce the particle size and to switch from a fixed bed to a fluidized or stirred batch reactor. In the case of very small particles (diameter in the range of micrometers) and suspensions containing other insoluble compounds a magnetic carrier technology is a novel and convenient way to selectively seperate the immobilized enzyme carrier.

 

 

Different synthesis options based on functionalized polyvinylalcohol with incorporated magnetic particles are performed. One investigated demonstration system with practical interest is the use of immobilized penicillin amidase (penicillin acylase).

 

 

4.1.4 Kolloide im Trinkwasser

 

Natürliche Wässer weisen je nach Art, Herkunft und Entnahmeort eine Vielzahl von gelösten und partikulären Inhaltsstoffen in zeitlich und räumlich wechselnder Konzentration auf. Insbesondere die kolloidal (dp < 1 µm) bzw. suspendiert (dp > 1 µm) vorliegenden Feststoffe sind dabei für die in einem aquatischen System ablaufenden Prozesse von großer Bedeutung, da eine Vielzahl von Vorgängen (z.B. Adsorptions-, Desorptions- und Ionenaustauschvorgänge, Komplexierungsvorgänge oder die Wirkung von Teilchen als Primärkeime bei der Fällung und Kristallisation) durch die spezifischen Eigenheiten der partikulären Wasserinhaltsstoffe signifikant beeinflusst werden. Zudem stellen Mikroorganismen selbst partikuläre Wasserinhaltsstoffe dar, deren Quantifizierung zur Bereitstellung eines hygienisch einwandfreien Trinkwassers erforderlich ist.

Herkömmliche Analysenmethoden wie die Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS) vermögen Kolloide bei den zum Teil in natürlichen Aquifern vorherrschenden geringen Größen und Konzentrationen nicht zu erfassen. Daher werden Tiefenprofile der Ausgangsgewässer, die Effektivität von Filtrationsprozessen bei der Aufbereitung sowie die Änderung der Kolloidpopulation bei Lagerung und Transport von Trinkwasser mittels der im ITC-WGT weiterentwickelten Methode der Laser-induzierten Breakdown Detektion (LIBD) untersucht.

 

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